Bereits vor 14 Tagen ist die Anfrage an den Ortsverband gekommen, ob speziell ausgebildete Helfer die sogenannte LuK (Lage und Koordination) im THW Landesverband in Stuttgart kräftetechnisch verstärken können. Ein Gruppenführer und ein Zugtruppführer haben sich daraufhin bereit erklärt, an mehreren Tagen eine Schicht in der Einsatzzentrale des THW Baden Württemberg zu übernehmen. Der Baden Würtemberger Landesverband koordiniert und betreibt den für bis zu 5000 Einsatzkräfte vorgesehenen Bereitstellungsraum am Nürburgring.
Hier laufen den ganzen Tag über Anfragen aus der Einsatzleitung in Ahrweiler ein, wenn weitere THW Kräfte oder Spezialgerät, wie Netzersatzanlagen, Pumpen, Stromerzeuger oder Trinkwasseraufbereitungsanlagen im Krisengebiet benötigt werden. Ihre Aufgabe besteht dann darin, die Anfragen an die einzelnen Ortsverbände weiterzuleiten, welche über entsprechende Kräfte oder Material verfügen. Sollen dann die Einheiten in den Einsatz entsendet werden, so müssen Einsatzaufträge und Anforderungen erstellt und dokumentiert werden. Außerdem werden die einzelnen Einheiten auf einer Lagekarte geführt, um einen Überblick über bereits im Einsatz befindliche oder noch verfügbare Kräfte zu haben. Die LuK ist Tag und Nacht besetzt und wird im Schichtdienst betrieben.
Am vergangenen Donnerstag meldet sich während des späten Vormittags genau diese LuK beim Zugführer des technischen Zuges des THW Schwäbisch Hall. Es heißt, es wird ein sogenannter Zugtrupp, eine kleine Koordinations- und Führungseinheit bestehend aus vier THW Helfern im Bereitstellungsraum Nürburgring benötigt. Weiter heißt es, es wird um Rückmeldung in 30 Minuten gebeten, ob die Haller den Einsatz übernehmen können – Abfahrt wäre bereits wenige Stunden später. Nach einigen wenigen Telefonaten kann der Einsatz zugesagt werden und kurze Zeit später trifft der schriftliche Einsatzauftrag mit den Einzelheiten per E-Mail ein. Während zwei Helfer noch ihre persönlichen Sachen für den eine Wochen andauernden Einsatz packen, beladen bereits andere die beiden Einsatzfahrzeuge. Feldbetten, Schlafsäcke, Decken und weiteres Material findet seinen Platz in den Fahrzeugen. Um 20:00 Uhr verabschiedet der Ortsbeauftragte des THW Schwäbisch Hall, die vier Führungskräfte und die Fahrzeuge rollen vom Hof in Sulzdorf. Angehörige und Kinder der Helfer winken ihnen nach, der ein oder andere mit Tränen in den Augen, weil keiner genau weiß, was ab jetzt in den nächsten sieben Tagen auf die Ehrenamtlichen zu kommt.
Nach knapp 400 km erreichen die Einsatzkräfte den sogenannten Bereitstellungsraum am Nürburgring. Hier sind sämtliche Hilfskräfte, wie THW, Feuerwehr, Bundeswehr, Polizei und Sanitätsdienste unterbracht. Weit über hundert Zelte stehen in der Boxengasse, in denen die Helfer Nachts auf Feldbetten schlafen und tagsüber in den ihnen zugeteilten Einsatz fahren. Es ist kurz vor Mitternacht, als das Zelt Nr. 37 gefunden wird und das Gepäck für die Nacht ausgeladen ist. Die Fahrzeuge werden auf einem bewachten Parkplatz außerhalb des Geländes geparkt. Es regnet, als die vier sich auf ihre Feldbetten legen und jedem ist bewusst, dass die Nacht nicht wie zu Hause im Bett sein wird. Es ist hell und laut, auch wenn es Nacht ist. Immer wieder kommen neue Fahrzeuge mit Helfern im Camp an.
Nach nur wenigen Stunden Schlaf, bekommt der Einsatzleiter des Zugtrupps von Schwäbisch Hall von der Führungsstelle des THW den Einsatzort genannt. „Unterstützung der Versorgungsstelle Verpflegung“ heißt es in Campleitung, einem Verbund von mehreren Fahrzeugen, die zu einem Bürokomplex zusammenstellt werden können. Es dauert etwas, bis der zukünftige Arbeitsplatz der Vier gefunden ist, da die Laufwege am Nürburgring mitunter doch recht weit sind.
Kameraden aus Heilbronn sind hier schon seit einer Woche tätig und freuen sich, dass sie von Hallern abgelöst werden. In der Führungsstelle Verpflegung wird alles rund um die Versorgung der Einsatzkräfte koordiniert. Unter anderem werden hier Dienstpläne der ehrenamtlichen Helfer für Küche, Essensausgabe, Reinigung, packen von Lunchpaketen und vieles mehr erstellt. Neu eingetroffene Versorgungseinheiten aus dem ganzen Bundesgebiet werden erfasst und in die Dienstpläne eingepflegt. Es heißt die Führungsstelle Versorgung sei das Rückgrat des Hilfseinsatzes, denn ohne eine funktionierende Verpflegung würde nach kürzester Zeit alles stillstehen. Das Telefon klingelt beinahe im Minutentakt, einmal ist eine Panzer Pioniereinheit der Bundeswehr am Apparat und fragt an, ob sie für den nächsten Tag mehrere hundert Lunchpakete haben könnte. Kurze Zeit später stehen zwei Polizisten am Führungszelt und brauchen Kaffee für ihre Hundertschaft. Alle Kräfte und Organisationen arbeiten Hand in Hand zusammen. Pro Tag werden ca. 3500 Portionen Frühstück, 1500 Mittag- und Abendessen sowie 600 Lunchpakete ausgegeben. Das Abendessen wird von den THW Köchen in der vom Nürburgring zur Verfügung gestellten Küchen gekocht. Auch das bestellen von Lebensmitteln, wie den täglich benötigten 6000 Brötchen, gehört zur Aufgabe der Führungsstelle Verpflegung. Wird Spezialgerät benötigt, um z.B. einen Kühlcontainer für Lebensmittel an einen anderen Standort zu setzen, kann über die Logistikzentrale unkompliziert z.B. ein Mobilkran angefordert werden.
Immer im Blick ist die Tafel des Dienstplanes, ob noch genug Kräfte für die Verpflegung vor Ort sind, oder ob bei der Einsatzleitung neues Personal angefordert werden muss. Es heißt, es soll im Laufe des Tages noch ein weiterer Zugtrupp eintreffen, damit die Führungsstelle von morgens um 5 Uhr bis abends 23 Uhr im zwei Schicht betrieb betrieben werden kann. Leider verspätet sich dieser und die Schwäbisch Haller müssen eine Doppelschicht einlegen. Einfach zumachen und gehen kann man hier nicht, die Einsatzkräfte welche aus den Schadensstellen zurück kommen, haben den ganzen Tag hart gearbeitet, sind hungrig und wollen etwas essen.
So ist es kurz nach Mitternacht, als die vier ziemlich erschöpft in ihr Zelt zurück kehren. Nach einer heißen Dusche kehrt schnell Ruhe ein, denn um 5:00 Uhr am nächsten Tag muss jeder von ihnen wieder fit sein.
Nachts kommt es zu einem schweren Gewitter und Starkregen zieht über den Bereitstellungsraum hinweg. Während der Regen in ohrenbetäubendem Lärm auf das Schlafzelt prasselt, läuft das Wasser auch unter den Feldbetten im Zelt hindurch. „Eine etwas gewöhnungsbedürftige Situation ist es schon, wenn man morgens aus dem Schlafsack schlüpft und gleich barfuß in der Pfütze steht. Da fängt der Tag schon gut an.“ Die Laune und Motivation kann den Helfern ein solcher Zustand jedoch nicht vermiesen. Schließlich sind sie hier im Katastropheneinsatz und nur wenige Kilometer entfernt haben Menschen auch drei Wochen nach der Flut noch keinen Strom, kein fließendes Wasser und können mitunter ihre Häuser und Wohnungen nicht mehr betreten.
Jeden Morgen ist es für die Helfer das gleiche Ritual. Um 04.30 Uhr aus dem Schlafsack heraus, vom Feldbett aufstehen und die Einsatzkleidung anziehen. Die schweren Stiefel an den Füßen spürt man nach drei Tagen deutlich. Erst spät abends, wenn es schon fast dunkel wird, kehrt langsam Ruhe ein und jeder zieht sich so gut es eben geht etwas zurück, telefoniert mit Angehörigen, hört Musik oder setzt sich einfach mal ein paar Minuten hin. Die Eindrücke, die hier auf jeden Einzelnen einprasseln schon nicht Ohne. Auch wenn jeder der vier Haller abends versucht sich mit anderen Dingen etwas abzulenken, so macht man sich doch Gedanken, ob man für den nächsten Tag genug warmes Abendessen bestellt hat, oder wann endlich der bestellte Kaffee für die nächsten Tage geliefert wird. Das schlimmste für die Helfer wäre es, wenn bei der Essensausgabe Einsatzkräfte hungrig bleiben müssten, weil das Essen nicht reicht.
Einer der Haller Helfern war bereits in der Vorwoche als Mitglied des Mediateam im Ahrtal. Dort stand das Dokumentieren der Aktivitäten des THW für Sechs Mitglieder des Mediateams aus Baden Württemberg haben eine Woche lang das Mediateam des Nachbarlandesverband bei der Betreuung von Presse und TV-Teams und der Dokumentation der Tätigkeiten der verschiedensten THW Einheiten vor Ort unterstützt. Zum Beispiel wurde ein Tag lang die Fachgruppe Logistik Materialwirtschaft begleitet, die Geräte und Fahrzeuge direkt im Einsatzgebiet instand hält.
Der Focus lag zu diesem Zeitpunkt auf der in Ahrweiler entstehenden Behelfsbrücke, der Trinkwasseraufbereitung im Ort Schuld und dem Bau einer provisorischen Trinkwasserpipeline zur Wiederherstellung der Trinkwasserversorgung von 14 Ortschaften.